Knochenkrebs bei Hunden – Was ist der Stand der Praxis und welche neuen Forschungsansätze gibt es?


Jaime F. Modiano, VMD, PhD

 

Direktor des Animal Cancer Care and Research Program an der University of Minnesota

 

Translation / Übersetzung:

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Das Osteosarkom ist die am häufigsten auftretende Form von primären Knochenkrebs bei Hunden und ist für bis zu 85% aller Tumore verantwortlich, die vom Skelettsystem ausgehen. In den USA werden jedes Jahr schätzungsweise mindestens 6.000 oder (je nach Quelle) eventuell auch mehr als 8.000 neue Fälle bei Hunden diagnostiziert. Osteosarkome werden am häufigsten im appendikulären Skelett (in den langen Röhrenknochen der Gliedmaßen) gefunden und dort in den häufigsten Fällen „nahe des Knies“ oder „vom Ellenbogen entfernt“. Diese Tumore können jedoch auch das axiale Skelett befallen (Schädel, Wirbelsäule, Rippen). Große Hunderassen und Riesenrassen haben ein höheres Risiko an Knochenkrebs zu erkranken, insbesondere an Tumoren der Röhrenknochen. So wird zum Beispiel geschätzt, dass das Erkrankungsrisiko von Riesenrassen wie dem Scottish Deerhound und der Deutschen Dogge bis zu 200mal größer sein könnte als bei kleinen Hunden und Zwerghunderassen. Rottweiler, Pyrenäenberghunde, Greyhounds und Mastiffs werden neben anderen Rassen ebenfalls zu den Hunden mit erhöhtem Erkrankungsrisiko gezählt. Die Krankheit tritt normalerweise im mittleren Lebensalter von Hunden (etwa 7-10 Jahre) erstmalig auf, obwohl Knochenkrebs auch Hunde unter einem Jahr betreffen kann. Faktoren, welche sich auf die Wachstumsrate von Hunden auswirken, wie z.B. spezielle Ernährungsweisen, die ein rasches Wachstum von Welpen fördern, scheinen ebenfalls das Erkrankungsrisiko zu beeinflussen. Die Tumore sind sehr aggressiv und metastasieren leicht, daher kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass zum Zeitpunkt der Diagnosestellung die Krankheit schon vom Primärherd gestreut hat. Aus diesem Grund beinhaltet die Standardtherapie bei Knochenkrebs die operative Entfernung des Primärtumors, gefolgt von einer adjuvanten Chemotherapie um bereits gestreute Krebszellen zu bekämpfen. Bei Hunden überleben mittels der Standardtherapie etwa 50% der Hunde ein Jahr, weniger als 30% das zweite Jahr und weniger als 10% das dritte Jahr. Die Wirkung dieser Statistik wird abgemildert, wenn man bedenkt, dass ein Jahr in etwa 10% der Lebensdauer eines Hundes entspricht. Wir sind jedoch der Meinung, dass neue Therapieansätze, welche darauf ausgelegt sind, die genetischen und biochemischen Anomalien dieser Tumore zu nutzen, uns helfen werden, die Prognosen für erkrankte Hunde zu verbessern.

 

Der folgende Artikel erschien zuerst in zwei Teilen in dem Magazin Discoveries (Ausgabe 32, Frühjahr 2010). Discoveries ist der offizielle Newsletter der AKC Canine Health Foundation.

 

Knochenkrebs bei Hunden – Was ist der Stand der Praxis und welche neuen Forschungsansätze gibt es?

 

Jaime F. Modiano, VMD, PhD

Direktor des Animal Cancer Care and Research Program an der University of Minnesota

 

In diesem Artikel werde ich kurz auf die Biologie von Knochenkrebs eingehen, sowie darauf, wie die Krankheit diagnostiziert wird, welche Behandlungsoptionen bereit stehen, wie die Prognose aussieht und welche neuen Forschungsansätze es gibt, die uns helfen werden Strategien für die Prävention, Kontrolle und Behandlung des primären Osteosarkom bei Hunden und Kindern gleichermaßen zu verbessern.

 

Einleitung

Knochenkrebs kann sowohl als Primärerkrankung (dabei hat es den Ursprung in den Zellen, welche normalerweise den Knochen bilden) oder durch Metastasierung (Streuung von Krebszellen, die woanders im Körper entstanden sind) auftreten. Beim Menschen ist Knochenkrebs am häufigsten auf eine Metastasierung von Tumoren zurückzuführen, die außerhalb der Knochen entstanden sind, wie Brustkrebs und Prostatakrebs. Primäre Knochentumore treten weniger häufig auf, und insbesondere Osteosarkome (also primärer Knochenkrebs, der aus Knochen bildenden Zellen entsteht) gehören zu den seltenen Krankheiten (Orphan Disease), das heißt, sie treten mit einer so niedrigen Prävalenz auf, dass nicht damit zu rechnen ist, dass ein Allgemeinmediziner mehr als einen solchen Fall pro Jahr zu sehen bekommt. Bei Hunden kann Knochenkrebs sowohl als Primärerkrankung als auch durch Metastasierung auftreten, aber im Gegensatz zum Menschen ist die in den USA am häufigsten beim Hund auftretende Form des Knochenkrebs das Osteosarkom. Dies ist vermutlich auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, einschließlich eines höheren relativen Risikos für Hunde großer Rassen sowie Riesenrassen, die Krankheit im Laufe ihres Lebens zu entwickeln (im Vergleich zu anderen Hunderassen und auch zu Menschen). Metastasierender Knochenkrebs wird bei Hunden seltener als beim Menschen diagnostiziert, vermutlich aufgrund der geringen Häufigkeit von Brustkrebs bei weiblichen Hunden in den USA, bedingt durch die Praxis der Kastration von Hunden und der bei Hunden relativ geringen Inzidenz von anderen Tumoren, die in das Knochengewebe streuen können, wie zum Beispiel Prostata-, Lungen-, Darm- und Nierenkrebs. Andere Knochenkrebsarten, wie zum Beispiel das Multiple Myelom, treten bei Hunden ebenfalls selten auf. Der Rest dieses Berichtes konzentriert sich auf die Biologie und die Behandlung von Osteosarkomen.

Pädiatrische Osteosarkome treten sowohl bei Menschen, Hunden als auch Katzen auf. Bei Menschen ist Osteosarkom überwiegend eine pädiatrische Erkrankung mit einem Erkrankungsgipfel im Alter von ~ 15 Jahren. Diese Tumorart tritt selten bei Erwachsenen auf, obwohl sich die Inzidenz nach der Pubertät etwas mit steigenden Alter erhöht und es einen zweiten, kleineren Erkrankungsgipfel bei Erwachsenen > 60 Jahren gibt. Das primäre Osteosarkom ist eine seltene Tumorart, mit weniger als 1.000 Diagnosen pro Jahr. Allerdings wird das Osteosarkom durch die Demographie der Krankheit (d.h. der Erkrankungsgipfel im Jugendalter) in der Onkologie vorrangig behandelt. Das Osteosarkom tritt bei Hunden viel häufiger als beim Menschen auf (ca. 15 Mal häufiger), mit geschätzt rund 10.000 neuen Diagnosen jedes Jahr, vor allem bei Hunden großer Rassen und Riesenrassen. Bei Katzen tritt das Osteosarkom nur selten auf.

Osteosarkome sind für etwa 85% aller Knochentumore bei Hunden verantwortlich. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung liegt bei ca. 8 Jahren, mit einem ersten kleinen Erkrankungsgipfel bei jungen Tieren (jünger als 3 Jahre). Wenn man den Einfluss der Körpermasse mit einbezieht, erhöht sich Risiko eines einzelnen Hundes, an einem Osteosarkom zu erkranken, jedoch nicht mit zunehmenden Alter. Fast ein Drittel aller Fälle von Osteosarkomen treten bei Hunden auf, die mehr als 40 kg wiegen, und die meisten Tumore in dieser Gruppe betreffen das appendikuläre Skelett (die Gliedmaßen). Im Gegensatz dazu entfallen weniger als 5 Prozent der Fälle auf Hunde, die weniger als 13 kg wiegen, und in dieser Gruppe treten meist Osteosarkome im axialen Skelett auf (die Knochen, die nicht zu den Gliedmaßen gehören). Bei Katzen gibt es keinen Zusammenhang zwischen der Größe oder Rasse und dem Erkrankungsrisiko; auch ist die Häufigkeit von axialen Tumoren in etwa gleich dem von appendikulären Tumoren.

Bei Hunden tritt das appendikuläre Osteosarkom in der Metaphyse auf (in dem Bereich der Wachstumsfugen der Röhrenknochen), "nahe des Knies und entfernt vom Ellenbogen." Bisweilen können Osteosarkome auch in den Zehengliedern auftreten. Axiale Osteosarkome können in jedem Knochen auftreten, die keine Röhrenknochen sind (Schädel, Rippen, Wirbelsäule). Tumore außerhalb der Knochen sind sehr selten; beim Menschen treten sie fast ausschließlich bei Erwachsenen auf und betreffen in den meisten Fällen die Haut. Bei Hunden können sie dagegen überall entstehen, einschließlich in den Bauchorganen (Leber, Milz, Herz), den Augen, usw.

Ätiologie und Risikofaktoren von Osteosarkomen

Eine Hauptursache für diese Erkrankung scheint bei Hunden, und möglicherweise auch bei Menschen, genetischen Ursprungs zu sein (d.h. erblich). Das Riskiko für Hunde, an einem Osteosarkom zu erkranken, kann am genauesten mittels der Körpermasse definiert werden, obwohl es auch eine direkete Korrelation mit der Größe besteht. Bei Kindern scheint ein schnelles Knochenwachstum ein prädisponierender Faktor zu sein; das häufige Auftreten von Osteosarkomen in Familien, in denen eine Mutation des Retinoblastom Gens (RB-1) vorliegt, unterstreicht jedoch die Erblichkeit dieser Erkrankung. Es ist interessant zu vermerken, dass dieses Risiko vom Vater vererbt wird. Bei Hunden zeigen sich klare Prädispositionen von verschiedenen Rassen. Die aktuelle Studie von einem Forschungsteam um Phillips (Phillips et al., 2007) zeigte, dass die Vererbbarkeit der Erkrankung bei der Rasse Scottish Deerhound bei 0,69 Prozent lag. In anderen Worten ist das Riskiko für einem Hund dieser Rasse, an einem Osteosarkom zu erkranken, aufgrund der vererbten Merkmale, bei fast 70 Prozent. Die Vererbbarkeit (Heritabilität, h2) bezeichnet den Anteil an der gesamt möglichen Variatonsbreite, der auf Grund genetischer Faktoren möglich ist. Es ist nicht verwunderlich, dass erblichen Faktoren eine wichtige Bedeutung bei dem Erkrankungsrisiko der Rasse Scottish Deerhound ausmachen; bei dieser Rasse sterben mehr als 15 % der Hunde an einem Osteosarkom. Das Modell, dass das Risiko eines Scottish Deerhound, die Erkrankung zu erben, am Besten erklärt, ist das Mendelsche Modell der dominanten Genexpression. Andere Ergebnisse, die ebenfalls auf eine erbliche Veranlagung für die Entwicklung von Osteosarkomen bei Hunden schließen, sind die Funde von dem Forscherteam um Comstock (Comstock et al., 2006). Diese institutionsübergreifenfe Studie, welche auf Tagung Genes, Dogs and Cancer 2006 in Chicago veröffentlicht wurde, identifiziert vier verschiedene Regionen im Genom, welche mit einem erhöhten Risiko für Osteosarkome bei Rottweilern assoziiert werden können, einer weiteren Rasse, für die das Erkrankungsrisiko höher ist, als es sich nur mittels der Körpermasse erklären lässt (die Inzidenz liegt schätzungsweise bei etwas mehr als 12%).

Zu den Umweltfaktoren, die das Risiko für die Entwicklung eines Osteosarkom erhöhen, gehören ein zu schnelles Wachstum (darum enthält Welpenfutter für große Rassen weniger Energie, um den Hunden dieser Rassen mehr Zeit zu geben, ihre Endgröße und ihr Endgewicht zu erreichen), das Geschlecht (das Risiko für Rüden zu erkranken ist 20 - 50fach höher), und der Einsatz von metallischen Implantaten zur Behandlung von Frakturen. Chronische Traumen und mikroskopische Frakturen wurden ebenfalls als Risikofaktoren diskutiert, sind jedoch schwer eindeutig nachzuweisen. Eine Studie der Forschergruppe um David Waters an der Purdue University (Cooley at al., 2002) fand durch Umfragen bei Hundebesitzern ein erhöhtes Risiko für Hunde, an einem Osteosarkom zu erkranken, wenn sie sehr frühzeitig sterilisiert oder kastriert wurden. Das relative Erkrankungsrisiko für Hunde, die bei der Kastration das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hatten,war laut Schätzungen der Studie bis zu 4-fach höher als für nicht kastrierte Hunde. Glickmans Gruppe publizierte 1998 anhand der Analye von Fällen aus der amerikanischen veterinärmedizinischen Datenbank (Ru et al., 1998) ähnliche Daten. Diese Studien führten zu erheblichen Diskussionen und Bedenken zwischen Veterinärmedizinern und Hundehaltern. Diese Studienergebnisse waren in anderen großen Studien jedoch nicht konstant reproduzierbar (so zum Beispiel in der Studie von Phillips und Kollegen bei Scottish Deerhounds). Und während die Ergebnisse von Waters Gruppe die Vorbehalte mancher Hundehalter zur Kastration von Hunden verstärkt haben mag, so sollte das möglicherweise dreifach erhöhte Riskiko für die Entwicklung eines Osteosarkom bei Hündinnen im Kontext mit dem verringerten Risiko von Gesäugetumoren bei einer

Kastration vor der ersten Läufigkeit betrachtet werden. Konkret verringert sich die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Gesäugetumoren von etwa 1 in 10 zu 1 in 100 Hunden (oder weniger) wenn Hündinnen vor der ersten Läufigkeit kastriert werden. Bei Rüden muss das möglicherweise vierfach erhöhte Risiko an Knochenkrebs im Kontext mit Verhaltensproblematiken, wie beispielsweise territorialen Aggressionen, Streunen, Markierverhalten und physischen Problemem wie Prostatavergrößerungen und Hodenkrebs, die häufiger (bzw. ausschließlich) bei nicht kastrierten Rüden vorkommen.

 

Verlauf des caninen Osteosarkoms

Es gibt drei typische histologische Arten von Osteosarkomen: Osteoblastische Tumore, bei denen Tumorzellen große Mengen an kanzerösen Osteoiden bilden (abnorme Knochenmatrix); chondroblastische Tumore, bei denen die Tumorzellen Knorpel (Chondroid) zusätzlich zu einer geringen Menge neuer Knochenmasse bilden (ohne die Bildung des Osteoid lautet hier die Diagnose Chondrosarkom); und fibroblastische Tumore, bei denen die Tumorzellen hauptsächlich aus Fibroblasten bestehen und die sowohl Collagen als auch kanzeröse Osteoide bilden. Die Krankheit zeigt eine hohe Metastasierungsrate und streut bis in weit entfernte Regionen, meist die Lunge oder andere Knochen. Osteosarkome können auch in die Lymphknoten und die Organe des Bauchraumes metastasieren. Das Streuungsmuster (Lunge, Knochen, Lymphknoten) ist beim Menschen und bei Hunden ähnlich.

 

Diagnose des caninen Osteosarkoms

Die Diagnose erfolgt anhand klinischer Zeichen, bildgebender Verfahren und Biopsien. Die klinischen Symptome eines appendikulären Osteosarkom reichen von einer leichten Lahmheit mit geringen Schmerzanzeichen bis hin zu pathologischen Frakturen. Die Anzeichen für Osteosarkome des axialen Skelett oder im extraskelettalen Bereich sind abhängig vom betroffenen Bereich. Als bildgebende Verfahren kommen radiologische Untersuchungen zum Einsatz, welche durch Magnetresonanztomographie (Kernspintomographie, MRT) und/oder Computertomographie (CT) und Szintigraphie unterstützt werden können. Bildgebende Untersuchungen sollten die Region des Primärtumors und übliche Regionen für Metastasenbildung umfassen. Radiologische Anzeichen für Osteosarkome können von schweren Auflösungserscheinungen der Knochensubstanz bis zu schwerwiegenden sklerosierenden Läsionen (mit erhöhter Knochendichte und Knochenerhärtung) mit neuer Knochenbildung reichen. Üblicherweise findet sich ein Verlust an trabekulären (internen) Knochenstrukturen und ungenauen Abgrenzungen des Tumorgewebes, im Zusammenhang mit Schwellungen des Weichteilgewebes, der Auflösung der Außenschicht des Knochens (Kortex) und überschießenden periostalen Rektionen, zusammen dem sogenannten "Codman-Dreieck". Obwohl diese Veränderung häufig gesehen wird, so ist sie nicht immer vorhanden und sollte daher nicht als Entscheidungsfaktor zur Diagnosestellung herangezogen werden. Osteosarkome greifen nur selten über Gelenke auf weitere Knochen über, außer bei den sehr seltenen Fällen von nekrotisierenden Osteosarkomen der Schienbeins, welches beim Scottish Terrier und anderen kleinen Hunderassen auftreten kann.

Die Knochenszintigraphie ist sehr sensibel, jedoch unspezifisch bei der Identifikation von Läsionen, die mit Osteosarkomen assoziiert sind, da jede Region mit osteoblastischer Aktivität (Knochenwachstum oder Knochenumbau) identifiziert wird (z.B. auch Arthritis). Zur Beurteilung des Ausmaßes eines Primärtumors ist die Knochenszintigraphie jedoch ein wertvolles Mittel. Die zytologische Untersuchung des Gewebes nach Feinnadelaspiration stellt meistens eine Ergänzung dar

zur Sicherung einer radiologischen Diagnose dar. Diese zytologische Untersuchung allein ist im Allgemeinen nicht genau genug um eine sichere Diagnose zu stellen, jedoch kann das Vorhandensein von sogenannten 'Markerzellen' mit eosinophilen Material, granulären Zellen und unterschiedlichen Größen und Formen der Zellen die Diagnose unterstützen. Für eine definitive Diagnose ist eine Biopsie nötig, welche mittels einer offenen Inzisionsbiopsie, Trepanbiopsie oder eine Jamshidi Nadel für Knochenmarksbiopsien entnommen werden kann. Die diagnostische Genauigkeit liegt bei fast 100 Prozent für offene Biopsien, rund 95 Prozent für Trepanbiopsien und > 90 Prozent bei Jamshidi Nadelbiopsien. Die Gewebematerial sollte möglichst vom Zentrum des Tumors entnommen werden, im Falle einer Gliedmaßen-erhaltenden Prozedur, sollte der Chirurg, der die Operation durchführt, die Biopsie durchführen, wann immer sie möglich ist.

Der Pathologe wird danach die Zelltypen (osteoblastisch, chondroplastisch, fibroblastisch oder gemischt, siehe die Beschreibung oben) und den Grad (die Heterogenität der Zellen innerhalb der Zellpopulatoin, der Anteil der Zellen, die sich aktiv teilen, etc.) bestimmen und das Vorhandensein von tumorer Knochenmasse bestätigen, welche die endgültige Diagnose eines Osteosarkoms darstellt. Weitere bestätigende Tests können immunohistochemische Untersuchungen, Anfärbung von Osteocalcin, Osteonektin und alkaliner Phosphatase (ALP) umfassen.

 

Stadien und Prognose des caninen Osteosarkoms

Die klinische Einteilung der Stadien berücksichtigt die Eigenschaften des Primärtumors, Metastasenbildung in regionalen oder weiter entfernten Lymphknoten, Metastasenbildung in anderen Regionen und die Einstufung des Tumors mittels TNMG Klassifikation (Tumor, Nodus (=Lymphknoten), Metastasen, (Differenzierungs-)Grad). Stadium I umfasst gut differenziertes bösartiges Gewebe ("Low-Grade-Tumore"; G1) ohne Anzeichen von Metastasen; Stadium II umfasst nicht differenziertes bösartiges Gewebe ("High-Grade-Tumore", G2) ohne Metastasen; und Stadium III beschreibt Hunde mit metastasierenden Erkrankungen. Die Substadien "a" und "b" beschreiben intramedulläre Läsionen (im Knochen; T1) und lokale extramedulläre Streuung (außerhalb des Knochenmarks; T2). Bei den meisten Hunden wird ein Osteosarkom im Stadium IIb diagnostiziert.

Bei Kindern ist die Lokalisation des Primärtumors entscheident für die Prognose; distale Tumore (am weitesten vom Körperzentrum entfernt) haben die beste Prognose, Tumore im distalen Oberschenkelknochen haben eine mittlere Prognose und Tumore des axialen Skelett haben die schlechteste Prognose. Bei Hunden haben Tumore des Unterkiefers und des Schulterblatts die beste Prognose mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von ~ 18 Monaten, appendikuläre Tumore haben eine mittlere Prognose mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von ~ 11 Monaten, Tumore der Wirbelsäuleund des Schädels haben eine schlechtere Prognose mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von ~ 6 Monaten und extraskelettale Tumore haben die schlechteste Prognose mit einer durchschnittlichen Überlebenszeit von ~ 2 Monaten.

Die Tumorgröße ist prognostisch (je größer der Tumor, desto schlechter die Prognose), ebenso wie das Alter (bei jüngeren Hunden ist die Prognose schlechter). Serum ALP-Werte haben ebenfalls einen hohen prognostischen Wert. Hunde mit präoperativen ALP-Werten von > 110 U/L haben eine schlechtere Prognose als Hunde mit ALP-Werten < 110 U/L (abhängig vom Labor können die Werte abweichen) und Hunde die 40 Tage nach einer Amputation noch erhöhtes Serum-ALP aufweisen, haben die schlechteste Prognose von allen Gruppen der behandelten Hunde.

 

Behandlung des caninen Osteosarkoms

Osteosarkome sind bei Hunden eine behandelbare, in der Regel jedoch nicht heilbare Erkrankung. Auch heutzutage läuft es in der Regel auf eine Entscheidung "Bein oder Leben" hinaus. Ohne Behandlung beträgt die erwartende Überlebenszeit für einen Hund mit Osteosarkom weniger als drei Monate. Dagegen können Überlebensraten von etwa einem Jahr (oder etwa 10 Prozent der Lebensdauer) bei 50 Prozent der Hunde mit Osteosarkom erreicht werden, wenn sie mit dem aktuellen Therapiestandard (bei etwa 50 Prozent der Fälle eingesetzt) behandelt werden. Ein kleiner Prozentsatz der Hunde kann nach der Diagnose noch bis zu 5 - 6 Jahre leben. Die Standardtherapie ist eine Operation (Amputation mit gliedmaßenerhaltender Operation) mit begleitender Chemotherapie. Die Wahl der Chemotherapeutika scheint keinen großen Einfluss auf das Überleben zu haben, daher sind in der Regel die zu erwartende Toxizität, Lebensqualität und Kosten die entscheidenden Faktoren. Derzeit ist in den meisten Fällen Carboplatin das Mittel der Wahl. Chemotherapie wird nur empfohlen, wenn der Primärtumor entfernt wurde. Bei inoperablen Fällen ist sie unwirksam.

In sehr seltenen Fällen kommt es vor, dass Hunde mit Osteosarkom, die eine palliative Behandlung erhalten, eine längere Zeit überleben (> 1 Jahr), sogar wenn Metastasen vorhanden sind. Trotzdem konnte in vielen gut dokumentierten Studien gezeigt werden, dass ein klinisches Ansprechen eines Osteosarkoms nur mit dem anerkannten Therapiestandard erreicht werden kann. Osteosarkome reagieren nicht auf andere Behandlungen und alles was nicht der Standardtherapie entspricht sollte als palliative Therapie angesehen werden. Anekdotenhafte erzählte Vorteile, die von einer Behandlung mittels pflanzlicher oder "alternativer" Heilmethoden, einschließlich Artemisin, erreicht worden, sind nicht reproduzierbar und keine alternative Behandlungsmethode konnte bisher in kontrollierten Studien eine Wirksamkeit oder einen dauerhaften klinischen Nutzen zeigen.

Eine Operation ist weiterhin die Hauptgrundlage einer lokalen Kontrolle der Erkrankung. In den meisten Fällen bietet es eine sofortige Schmerzlinderung mit einem weiterhin hohen Funktionsumfang der betroffenen Gliedmaßen. Die einzige vorhandene Kontraindikation ist eine schlechte strukturelle Stabilität (nicht die Größe des Tumors). Wichtig sind eine bedachte Fallauswahl und ein erfahrener Chirurg (und ein erfahrenes Behandlungsteam). Physiotherapie und Rehabilitationsmaßnahmen scheinen sich positiv auf die Lebensqualität von Patienten und Besitzern auszuwirken. Ergänzende Therapien wie Massagen können sich auch günstig auswirken. Komplikationen treten häufiger nach gelenkerhaltenden Operationen auf, wobei Infektionen die häufigsten Nebenwirkungen sind. Seltsamerweise zeigen Hunde, die eine Infektion der Operationsstelle erleiden und gut auf eine darauf folgende antimikrobielle Therapie ansprechen, bessere Behandlungsergebnisse als Hunde, die keine Infektionen bekommen. Als Grund für diese Wirkung wird ein sekundärer Nebeneffekt der Aktivierung der Antitumoraktivität als Reaktion auf die Infektion angenommen.

Eine Strahlentherapie eignet sich für eine lokale Bekämpfung des Tumors und ist palliativ. Der Einsatz einer Strahlentherapie bietet keinen zusätzlichen Nutzen in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit. Im Alllgemeinen treten keine Nebenwirkungen auf und bei mehr als 70 Prozent der behandelten Hunde zeigen sich Verbesserungen, insbesondere in Bezug auf Schmerzen. Jedoch bleibt bei Hunden, die nicht operativ behandelt werden, ein sehr hohes Risiko, pathologische Frakturen zu entwickeln. Ein Ansatz, bei dem die stereotaktische Strahlentherapie angewendet wird, wurde vor kurzem für den Einsatz bei Hunden angepasst und ist in verschiedenen Instituten in den USA verfügbar (z.B. der Universität von Florida, Colorado State University, und weiteren). Es ist jedoch noch zu früh um festzustellen, wie der Erfolg von diesem Ansatz im Vergleich zu herkömmlicher Chirurgie oder der Gliedmaßen erhaltender Operation aussieht.

Eine Metastasierung tritt üblicherweise auf und ist so gut wie unvermeidbar. Zu den Behandlungsoptionen gehört die Entfernung der Lungenmetastasen. Eine Behandlung der

Metastasen wird nur empfohlen, wenn sich der Primärtumor in vollständiger Remission befindet und wenn auf drei thorakalen Ansichten der Lunge nur ein bis zwei Knoten nachweisbar sind. Die Ergebnisse der Knochen-Scans sollten negativ sein. Die mediane Überlebenszeit nach einer Entfernung der Lungenmetastasen kann bis zu 6 Monate betragen; ohne diese Prozedur beträgt die Lebenserwartung in der Regel weniger als 2 Monate.

Andere adjuvante Therapien sind in kontrollierten Studien getestet worden. Eine unspezifische Immuntherapie mit dem Wirkstoff L-Muramyltripeptid-Phosphatidylethanolamin (L-MTP-PE oder 3-Mifamurtid) zusätzlich zu Amputation und Cisplatin zeigte eine mediane Überlebenszeit von 14 Monaten, wobei 40 Prozent aller Hunde zwei Jahre überleben (Kurzmann et al., 1995). Dieser Wirkstoff wird derzeit wieder als eine mögliche Ergänzung zum aktuellen Versorgungsstandard untersucht. Vor kurzem konnte eine Verbesserung der Überlebensrate bei Kindern mit Osteosarkom gezeigt werden, wenn der Wirkstoff mit einer Standardtherapie kombiniert wurde. Weitere Therapieansätze waren bisher nicht erfolgversprechend, obwohl derzeit zahlreiche klinische Studien durchgeführt werden, zum einen mit Substanzen, die das Immunsystem aktivieren (TNF, FasL), und zum anderen mit zielgerichteten Medikamenten (Rapamycin). Ein Beispiel für eine solche Studie wurde vor kurzem veröffentlicht (Paoloni Et Al., 2009), und obwohl die Verbesserung gegenüber dem aktuellen Versorgungsstandard nur marginal war, so dokumentiert es doch die Infrastruktur, die zur Verfügung steht, um neue Therapieansätze für diese Krankheit zu untersuchen.

 

Die Zukunft der Prävention, Diagnose und Therapie

Laufende Studien, unterstützt von der AKC Canine Health Foundation, den National Institutes of Health (NIH; deutsch: Nationale Gesundheitsinstitute) sowie weiteren Organisationen enthüllen zusehends Risikofaktoren, Kausalitäten und potenzielle neue Angriffspunkte für die Therapie von Knochenkrebs. Die Ergebnisse von zwei Forschungsgruppen aus Minnesota (Gavin et al., 2009) und Colorado (Duval et al., 2009) präsentiert beim 5. Genes Dogs and Cancer Meeting 2009 in Orlando, Florida, zeigten gen-basierte Signaturen, mit denen man Hunde entsprechend ihres Ansprechens auf die Therapie und ihrem Gesamtüberleben unterscheiden könnte. Tiefer gehende Studien zu diesen Arbeiten könnten zu prädiktiven Tests führen, welche Besitzern erlauben würden, fundierte Entscheidungen bezüglich der Behandlung zu treffen, basierend auf der Wahrscheinlichkeit, dass ihr Hund einen Tumor hat, der wahrscheinlich (oder unwahrscheinlich) auf die konventionelle Therapie mit Operation plus adjuvanter Chemotherapie reagiert. Die Daten von Gavin unterstützen die von Thomas et al. (Thomas et al., 2009) veröffentlichten Ergebnisse, die zeigen, dass der genetische Hintergrund (die Rasse) nicht nur das Risiko für dien Tumorentstehung beeinflusst, sondern auch das Verhalten der Tumore. Innovative Behandlungsansätze, die gen-basierte Immuntherapie und zielgerichtete Therapien nutzen, sind hinsichtlich einer Verbesserung der Prognose der Erkrankung vielversprechend. Und schließlich zeigen vor kurzem veröffentlichte, sowie bald veröffentlichte Arbeiten, die bei einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen unserer Gruppe und der Breen-Gruppe entstanden, sowie von anderen Gruppen (Selvarajah et al.,2009), auf der molekularen Ebene eine bemerkenswerte Ähnlichkeit der Osteosarkome beim Hund und beim Menschen. Diese Daten werden weitere Möglichkeiten schaffen neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, die gleichzeitig die Gesundheit und das Wohlbefinden sowohl unserer Hunde als auch unserer Kinder verbessern.

 

Danksagungen

Ich danke Fr. Milcah Scott und Dr. Michelle Ritt für die Überarbeitung und die Verbesserung des Textflusses und der Lesbarkeit des Artikels.

 

Literaturverzeichnis

Comstock, K.E. et al. (2006). Regions of the Canine Genome Associated with Osteosarcoma Identified by a Whole Genome Case-Control Association Study. Paper presented at: Genes Dogs & Cancer: Fourth International Canine Cancer Conference (Chicago, IL, International Veterinary Information Services).

Cooley, D.M. et al. (2002). Endogenous gonadal hormone exposure and bone sarcoma risk. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 11, 1434-1440.

Duval, D.L. et al. (2009). Molecular markers of metastatic progression and chemotherapeutic resistance in canine osteosarcoma. Paper presented at: Genes Dogs & Cancer: Fifth International Canine Cancer Conference (Orlando, FL, International Veterinary Information Services).

 

*Die Gruppe um Dr. Duval hat mittlerweile ihre Arbeit einem Peer-Review unterzogen und in folgender Form veröffentlicht: O'Donoghue et al. BMC Cancer 10:256, 2010 (http://www.biomedcentral.com/bmccancer)

 

Gavin, K. et al. (2009). Paper presented at: Genes Dogs & Cancer: Fifth International Canine Cancer Conference (Orlando, FL, International Veterinary Information Services).

Kurzman, I.D. et al. (1995). Adjuvant therapy for osteosarcoma in dogs: results of randomized clinical trials using combined liposome-encapsulated muramyl tripeptide and cisplatin. Clin Cancer Res 1, 1595-1601.

Paoloni, M.C. et al. (2009). Launching a novel preclinical infrastructure: comparative oncology trials consortium directed therapeutic targeting of TNFalpha to cancer vasculature. PLoS ONE 4, e4972.

Phillips, J.C. et al. (2007). Heritability and segregation analysis of osteosarcoma in the Scottish deerhound. Genomics 90, 354-363.

Ru, G. et al. (1998). Host related risk factors for canine osteosarcoma. Vet J 156, 31-39.

Selvarajah, G.T. et al. (2009). Gene expression profiling of canine osteosarcoma reveals genes associated with short and long survival times. Mol Cancer 8, 72.

Thomas, R. et al. (2009). Influence of genetic background on tumor karyotypes: evidence for breed-associated cytogenetic aberrations in canine appendicular osteosarcoma. Chromosome Res 17, 365-377.